Bericht aus dem Stadtrat, März 2021
Am gestrigen Mittwoch fand um 17 Uhr die Stadtratssitzung im Speisesaal des Radebeuler Wasaparks statt.
Nach der üblichen Sitzungskonstituierung gab es im Punkt Anfragen bereits die ersten Streitpunkte. FW-Stadtrat Wittig fragte an, ob sich aufgrund der kritischen Rezeption der Karikatur im Amtsblatt nun Änderungen ergeben würden, ob beispielsweise in Zukunft auf Karikaturen verzichtet wird? Der OB sieht keinen Bedarf, in Zukunft auf Karikaturen im Amtsblatt zu verzichten. Im Zuge der Diskussion wurde auch auf die in der Öffentlichkeit rezipierte Pressemitteilung des SPD Ortsverbandes eingegangen, in der die Karikatur scharf verurteilt wurde. Der OB warf der SPD und ihren zwei Stadträten “Cancel Culture” (also eine Zensurkultur) vor.
Im Anschluss äußerte sich auch FDP-Stadtrat Kruschel zum Thema und meinte, dass man zwar mit den Jugendlichen reden sollte, sie jedoch erst einmal Lebensleistung erbringen sollten, bevor sie Forderungen an die Stadt stellten. Bei so viel Fingerspitzengefühl ist es meiner Meinung nach bereits Lebensleistung genug, nicht noch früher aus der Stadt wegzuziehen.
Nach diesem ersten Aufreger ging es in die Tagesordnung über. Der Brandschutzplan der Stadt muss aktualisiert werden. Problematisch ist insbesondere die Versorgung mit Löschwasser im Stadtgebiet — eine Problematik, die wir in Zukunft weitaus intensiver angehen müssen, damit Löschen nicht mehr Glückssache bleibt (weil ja das Löschwasser ausgehen könnte), sondern überall im Stadtgebiet problemlos möglich ist.
Der nächste Tagesordnungspunkt mit Diskussionsbedarf war das Thema der Kindertagesstättenentwicklung. Die Stadt muss aufgrund der finanziellen Situation und der demographischen Entwicklung ihr Entwicklungskonzept überarbeiten. Wegen der letzten zwei geburtenschwachen Jahrgänge möchte die Verwaltung die Kindertagesstätte auf der Harmoniestraße gänzlich schließen. Wir haben uns in dieser Abstimmung enthalten, denn obwohl die Weiterentwicklung der Kindertagesstätten wichtig ist, ist es falsch wegen zweier geburtenschwacher Jahrgänge davon auszugehen, dass in Zukunft weniger Kinder einen Betreuungsplatz benötigten. Unser Hauptargument: Die lange überfällige Absenkung des Betreuungsschlüssels könnte irgendwann einmal Thema im Land sein und dann werden Betreuungsgruppen kleiner, es werden mehr Räume benötigt und eine dann neu zu bauende Kindertagesstätte wird ewig geplant werden müssen. Dennoch wurde die Vorlage bei zwei Enthaltungen angenommen.
Auch die AfD-Fraktion konnte es selbstverständlich nicht lassen, etwas beizutragen. Ihr Antrag auf “Abschaffung der gendergerechten Sprache in der Verwaltung” wurde bei ihren eigenen Für-Stimmen und einer Enthaltung durch FDP-Mann Kruschel abgelehnt. MdB Spangenberg trug in seinen Ausführungen auch wiederholt die Ente vor, in Leipzig müsse man männliche Professoren nun mit “Herr Professorin” ansprechen. Diese Aussage ist seit langem widerlegt, da sich der Beschluss für die Verwendung des generischen Femininums nur auf ein einziges, bestimmtes Dokument bezieht, die normale Anrede also davon überhaupt nicht betroffen war. Aber was kümmert’s die AfD?
Der kontroverseste Punkt war sicherlich die Umbenennung eines Teilstückes “Auf den Ebenbergen” in “Mohrenstraße”. Von der Verwaltung als Routineakt abgetan (wir müssen fälschlich geführte Teilstücke bis Sommer 2022 ordentlich benennen und seien jetzt eben beim Buchstaben M angelangt), halten wir diese Vorlage für einen Schlag ins Gesicht aller gegen Rassismus und Kolonialismus engagierten Menschen, die sich für eine Umbenennung der Straße eingesetzt haben und das auch weiter tun. Mit etwas Fingerspitzengefühl hätte man die Vorlage auch später einbringen können, nämlich dann, wenn bereits mit den Jugendlichen gesprochen wurde. Einen solchen von der Fraktion Bürgerforum/Grüne/SPD gestellten Vertagungsantrag haben wir unterstützt. So hat der Stadtrat mehrheitlich klargemacht, was ihnen Jugendbeteiligung bedeutet. Einen Konsens mit den Jugendlichen zu finden, hat sich der Großteil des Stadtrates nun erheblich erschwert. Und die bundesweite, mediale Aufmerksamkeit fällt wieder negativ auf unsere doch eigentlich so schöne Stadt.
Berichterstattung:
Radebeul verlängert die “Mohrenstraße” (Spiegel), Soll die “Mohrenstraße” weg — oder sogar noch verlängert werden? (Spiegel+, Bezahlschranke), Mohrenstraße in Radebeul: “Es geht um kollektive Identität” (DNN+, Bezahlschranke)